Mein Herz bebte, meine Hände zitterten, meine Seele war kurz vor Zerbersten vor Aufregung. Da war sie!!! Meine Freiheit. Wild und anmutig ragte sie vom Wasser zum Himmel empor. Meine Freiheit. Sie roch nach Salz und Seetang. Meine Freiheit. Sie ertönte mit lautem Wellenrauschen und dem gleichmäßigen Schlag der Segel. Meine Freiheit. Sie schmeckte nach Fisch, leerem Magen und selbstgedrehten Kippen. Meine Freiheit. Sie zog mich magisch von zuhause weg, in die Untiefen des offenen Meeres. Meine Freiheit. So zerrte mich das Wasser in seinen Bann, um mich fast ganz zu verschlingen. Inklusive meiner Freiheit. Mein Traum von der großen Freiheit wurde schon nach kurzer Zeit zu einer modernen Galeere für mich. Ein beeindruckendes, dreimastiges Schiff, besetzt von Gefangenen und Sklaven auf engstem Raum. Ohne Privatsphäre. Ohne Freiheit. Eine Quarantäne-Situation, wie sie schlimmer nicht hätte sein können. Keine Freiheit. Ein Lockdown auf Hoher See, mit ganztägiger Ausgangssperre. Keine Freiheit. Keine Couch und Komfortzone, kein kuscheliges Bett mit Lenorduft. Keine Freiheit.
Schnell brannte mein Herz für nichts mehr als die Wiedergewinnung meiner Freiheit. Doch die Quarantäne war real. Der Lockdown hatte noch kein Land in Sicht. Die endlose Weite des Meeres ließ keinen Grund zur Hoffnung.
Keine Freiheit.
Und dann spürte ich laut und deutlich den Ruf meiner inneren Stimme. Meiner Freiheit. Und dann erinnerte ich mich daran, was meine Eltern mir beigebracht hatten. Meine Freiheit. Und dann sprühte mein Geist Funken und meine Finger krampften vor Glück. Freiheit!! Freiheit!!! Ich rannte an mein Spind und öffnete die Tür.
Und da sah ich sie: meine Freiheit.
Meine Kamera. Mein Skizzenbuch. Meine Acrylfarben. MEINE FREIHEIT!
Tränen des Glücks rannen meine Wangen herab. Tränen der Freiheit. Ich zog mich in mich zurück. In meinen Geist. In meine Seele. In mein Herz. In meine Freiheit. So überlebte ich jeden Tag. So wuchs ich jeden Tag. So fühlte ich Glück jeden Tag. So gewann ich sie zurück: meine Freiheit. Die Quarantäne konnte mir nichts mehr anhaben.
Der Lockdown tat nicht mehr weh. Ein Gefängnis ist immer nur das, was man draus macht.
Der Kerker ist nur dann ein Kerker, wenn Du ihn als solches annimmst.
Dies war keine Galeere. Es war meine kleine, persönliche Kunsthochschule,
die mich jeden Tag weiterbildete.
Meine Kollegen schlossen meine Skizzen dankbar in ihrem Spind ein, um sie am nächsten Hafen an ihre Liebsten zu schicken. Meine bunten Gedanken und Kunstwerke machten sie glücklich. Und gab ihnen etwas verloren Geglaubtes zurück: Freiheit.
Als ich wieder im Heimathafen ankam und vom Schiff stieg, wusste ich wo ich hin wollte.
Die Quarantäne auf Hoher See hat mir die größte Freiheit gezeigt, die ein Mensch besitzt.
Die Freiheit des Geistes. Die Freiheit der Seele. Die Freiheit im Herzen.
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